Charakter Arc

Manchmal ist es einfacher, sich als einen Charakter in einer Geschichte vorzustellen. Man ist der Hauptcharakter der Geschichte, erlebt Dinge und wächst an ihnen. Es gibt einen Konflikt zu lösen und am Ende ist alles wieder gut.

Nur schade, dass es Geschichten sind.

Es gibt zwei gegensätzliche Grundsätze, die man ja ständig hört:

1. Menschen verändern sich nicht.

2. Es ist nie zu spät, sich zu ändern.

Mich hat beides immer etwas verwirrt? Also... Mir war immer klar, dass Menschen sich ändern können. Wenn sie Meinungen ändern oder aus Verhaltensweisen herausbrechen. Und doch verändert man sich nicht?

Ich habe letztens Bojack Horseman zuende gesehen. Echt klasse Serie! Und bemerkenswert finde ich diesen Charakter-Spannungsbogen, den character arc des Protagonisten. Ich will jetzt keine Abhandlung darüber schreiben, das haben schon genug Leute auf YouTube und woanders, aber eins ist mir besonders nahe gegangen.

Der Titel(anti)held der Serie ist eine depressive, drogen- und alkoholabhängige Figur mit sehr vielen Schwächen und Konflikten, die er bewältigen muss. Oft steht er sich dabei selbst im Weg, manipuliert sein eigenes Glück und ist toxisch gegenüber seinen Mitmenschen. Immer und immer wieder wird er in Reaktion seiner Taten von Schuld und Reue geplagt, versucht sich zu verändern, zu bessern, schafft es für eine kurze Weile, doch nie von Dauer. Immer und immer wieder muss er sich dem stellen, was er getan hat. Sein Charakter ist dynamisch und realistisch. Es gibt keinen Punkt, an dem er sich plötzlich sofort ändert und nie einen Rückfall erleidet. Im Gegenteil, er wird immer und immer wieder rückfällig, auch wenn er sich bessert. Mit der Zeit jedoch geht das Leben einfach weiter und er tut, was er tun kann.

Leute, es ist fast sechs Uhr morgens, ich habe noch nicht geschlafen. Kann also sein, dass das alles blöd klingt und ich Stuss schreibe.

Aber ich kann mich sehr gut damit identifizieren. Ständig diese Fehler. Immer und immer wieder. Häufig die gleichen. Man geht da durch, gelobt Besserung, versucht sich zu ändern. Aber der Prozess ist hart und man muss kämpfen. Immer und immer wieder. Und manchmal ist man zu müde, um dagegen anzukämpfen. Deswegen gibt es Therapeuten, Psychologen, Selbsthilfegruppen und Krisentelefone. Und trotzdem fällt alles auf einen allein zurück. Man muss für sich selbst kämpfen.

Mein Spannungsbogen im Charakter ist... langweilig. Ich falle und falle und komme nicht auf dem Boden auf. Ich werde abgefedert und doch schwebe ich nur über dem Abgrund. Irgendwo könnte ich immer tiefer fallen. Es könnte mir immer schlechter gehen, als es mir geht. Ich könnte verhungern, verdursten, kurz davor sein zu verhungern oder zu verdursten. Ich könnte alle Menschen im Leben verlieren, die mir auch nur ein bisschen was wert sind.

Und ein Teil von mir glaubt, ich würde es nicht anders verdienen. Ein Teil von mir wartet nur darauf. Auf einen Grund, auf den ich fallen kann. Ein Teil von mir wartet, bis mein Körper auf dem Boden zerschmettert.

Doch nichts tut sich. Warum?

Vielleicht weil es zu einfach wäre. Weil ich dann bei 0 wäre und wenig Grund hätte, so weiterzuleben. Was dann die Konsequenz mit sich zieht entweder drastisch etwas zu tun oder einfach aufzugeben. Doch würde ich einfach darauf steuern, nach unten zu fallen, hätte ich wahrscheinlich schon aufgegeben. 

Also muss ein Teil von mir noch nicht aufgegeben haben. Der Teil von mir, der mich noch gut behandelt. Der mich meine Haare bunt färben lässt, sodass ich mich ein Stückchen hübscher empfinde. Der Teil, der mir einen Binder bestellt hat (wenn auch einen billigen), damit ich meine Brustdysphorie etwas erleichtern kann und mich etwas mehr wie ich selbst fühlen kann. Der Teil, der diesen Blogpost schreibt, damit meine Gefühle nicht in mir verbleiben wir in einem Druckkessel. 

Reicht das aus?

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